6. "He-zhi" : kollektive Einpflanzung

Bonsai mit mehreren Stämmen heißt im Volksmund „Wälderpaarung“. In Japanisch heißt es „Beipflanzung“. Dabei kombiniert man drei oder mehr Stämme. Die Endform ist wie ein Buschwald. Sie stellt unter all den Bonsai-Gestaltungen die natürlichsten und poetischsten Szenen dar. Es strahlt nicht nur die Ruhe und Eleganz aus, sondern regt auch die Fantasie der Betrachter an, als befände er sich im einem Buschwald und sei umgeben von Vogelgesang, rauschenden Bächlein, Lyrikvorträgen und Musikspielen.

Die Gestaltungsformen dieser Bonsaiart sind am reichhaltigsten. Ihre Variationsmöglichkeit ist auch am größten. Sie bringen ihre individuelle, eigentliche, natürliche Schönheit hervor. Es gibt keine Einschränkungen von Materialien. Stämme aus unterschiedlichen Sorten, Altern, Eigenschaften und Charaktern sind kombinierbar.

Bonsai dieser Art sind in Kategorien in „spärlich bepflanzter Wald“, „dicht bepflanzter Wald“, „Urwald“, „Fernwald“ und „Nahwald“ einzuteilen.

Eine weitere Einteilung ergibt sich nach der Umgebung von Bonsai dieser Art z. B. „Bergwald“, „Sumpfwald“, „Küstenwald“, „Wildniswald“, „Wald am Bachrand“, „Hügelwald“, „Urwald“ und „Lustwald mit Fußpfad“.

Um die gewünschte Kompositionsgestalt zu realisieren, soll man zunächst Materialien (Zwergbäume, Stämme) sammeln, nachdenken, und sehen, welche Materialien zu welchem passen. Nach der Entscheidung für die Endform, kann man die Anordnung der Materialien skizzieren. Nachdem man mit seiner Idee zufrieden ist, kann man seine Vorstellung in dem eigentlichen Bonsaiwerk umsetzen. Außerdem kann man berühmte Malereien bzw. schöne Szenen aus der Erinnerung einer Reise als Referenz nehmen. Somit wird das Bonsaikunstwerk schön und natürlich.

Als Grundregel sollten bei kollektiver Bonsai-Einpflanzung nicht weniger als drei Stämme in einem flachen Topf eingepflanzt werden. Es soll eine natürliche Schönheit reflektieren. Manchmal erzielt man mit viel Arbeit und Überlegung den gegenteiligen Effekt, wenn man dabei die natürliche Harmonie vernachlässigt. Die Grundelemente sind Harmonie, Paarung, Zusammenpassung, Plastizität und Stabilität. Missachtet man diese Grundelemente, wird das Kunstwerk chaotisch, unordentlich und ordinär. Es ist deshalb notwendig, über den Abstand der Stämme, Größe der Zweige, den Abstand der Pflanzen im Vorder- und Hintergrund nachzudenken und zu recherchieren. Manchmal sind die Stämme so spärlich, dass Pferde durchlaufen könnten; und manchmal scheint es so dicht, dass keine Lücke für einen Nadel passt. Die Variation ist grenzenlos. Ob das Kunstwerk nach der Fertigstellung mit Erfolg gekrönt wird, hängt von der Inspiration und Idee des Künstlers ab. Am wesentlichsten ist es, dass die Grundregeln beachtet werden.

Ausreichend viele Materialien zu haben ist für die Gestaltung vorteilhaft. Beispiel: wenn man fünf Stämme kollektiv einpflanzen will, so soll man acht oder neun Stämme zur Auswahl haben, damit man bei Bedarf auf die Reserve zurückgreifen kann. Sonst müsste man das Kunstwerk mit Materialien zweiter oder dritter Wahl gestalten. Das Ergebnis ist denkbar nicht so ideal.

Jetzt kommen wir zur Gestaltung des Gesamtwerks. Zunächst wählen wir drei Bäume. Der Hauptbaum ist der größte und der dickste. Der Nebenbaum ist ein wenig kleiner und dünner. Der dritte als Begleitbaum ist der kleinste und dünnste von allen drei. Alle drei bilden eine Kernkollektion. Weitere Bäume sind kleiner und feiner. Die Mindestanzahl von solch einer Bündelung ist drei. Üblich ist eine ungerade Zahl, beispielsweise 5, 7, 9 bis ein Dutzend. Je nach der Anzahl soll man einen passenden flachen Topf benützen. Eine Dreierbündelung kann Fehler wegen der Übersichtlichkeit nicht so leicht verstecken. Eine mehrstämmige Bündelung kann dagegen Fehler viel leichter vertuschen. Je kleiner die Anzahl der Stämme, desto perfekter muss man die Technik beherrschen. Anfänger sollen mit der Dreierbündelung üben. Die daraus gesammelten Erfahrungen können das Selbstvertrauen stärken. Bei einem höheren Bündelungsgrad kann man dann viel variieren. Spaß und Forschritte werden Hand in Hand gehen.

Um den Eindruck eines Waldes hervorzuheben, muss die Anzahl der Stämme nicht unbedingt groß sein. Wenn die Komposition gut passt, können wenige Stämme auch das gleiche Ziel erfüllen. Wichtig ist nicht die Anzahl, sondern die Gestaltung der Bäume. Mann soll auch nicht zu viel Wert auf die Form der Stämme legen, sondern auf die Räumlichkeit um jeden Stamm, welche die Fantasie der Betrachter mehr anspricht. Bei der mehrstämmigen Kollektion soll man auf die Harmonie der Gesamtheit und auf die volle Geltung der natürlichen Form Acht geben.

Wenn man Töpfe und Materialien vorbereitet hat, kann man mit der Einpflanzung beginnen. Man stellt den Topf mit der Vorseite zu sich (siehe Abb. rechts). Der Hauptstamm (A) soll ein Drittel nach links oder rechts von der Topfseitenkante platziert werden. Er kann in der Mitte oder leicht nach vor oder nach hinten sein. Der Begleitstamm (C) soll neben dem Hauptstamm aber nicht parallel zu den Topfkanten sein. Der Nebenstamm (B) soll in der entgegen gesetzten Richtung vom Hauptstamm, auch ein drittel von der anderen Kante platziert werden. Das ist die sicherste Methode. Der Nebenstamm kann je nach Lust und Laune variiert werden. Die drei Stämme sollen ein Dreieck mit ungleichen Kantenlängen bilden. Stämme sollen nicht parallel angeordnet sein. Zwischen Stämmen soll Abstand gehalten werden. Das ist die Grundlage der Gestaltung bei „kollektiver Einpflanzung“.

Jetzt nehmen wir eine Kollektion von sieben Stämmen als Beispiel vor. Die restlichen vier Stämme sollen möglichst hinter oder seitlich von der Dreiergruppierung platziert sein. Man soll die natürliche Schönheit durch das Gefühl der Tiefe und durch die Stufung in die Ferne gewinnen. Zu vermeiden ist, die zusätzlichen Stämme zwischen der Dreierkollektion oder in der Topfmitte einzupflanzen, denn es würde Überlappung und Blickhinderung verursachen. Die beiden Beispiele dienen lediglich als Hilfe für Anfänger. Übung macht den Meister. Mit Erfahrung und Fantasie kann man hervorragende Ergebnisse erschaffen. Mit der siebener Kollektion als Basis kann man die Anzahl der Bündelungen auf eine Zweier- oder Dreiergruppierung erweitern.

Wir haben oben über die wesentlichen Punkte der Dreierkollektion beschrieben. Wenn aber alle drei Stämme von ähnlicher Dicke und Größe sind und keiner eindeutig der Hauptstamm sein kann, so muss man sie nah beieinander platzieren, um einen starken Kern darzustellen. Die Wurzeln von den drei Stämmen werden zusammenwachsen. Die Wurzeln sollen leicht über die Erde gehoben aber mit Moos bedeckt werden. Nachdem die Wurzeln stark gewachsen sind, kann man die Moos entfernen. Die starke Verwurzelung gibt dem Beobachter einen Eindruck von gedeihendem Wachstum. Wenn die Stämme weit auseinander platziert wären, hätte man den Eindruck von Einsamkeit und Schwäche. Das sind die zu beachtenden Punkte von der Kollektion gleich starker Stämme.

Bonsai mit kollektiven Stämmen besitzt die besten Eigenschaften der Darstellung, Kreativität, Kunst, Realität und Natürlichkeit. Sein Charakter ist fein und Ruhe spendend. Sie kann unendlich viele Variationen anbieten und Gedanken, Fantasie und Talent der Schaffenden reflektieren. Außerdem ist sie wirtschaftlich.

Beim Suchen nach Materialien sind einzelne Stämme vielleicht unansehnlich. Ihnen fehlen Zweige; sie mögen einseitig oder schon ausgetrocknet sein. Im Auge einer Bonsai unkundigen Person sind solche Stämme Abfälle. Aber in den Händen eines Bonsaikünstlers kann mit solchen leicht defekten Stämmen durch Geschicklichkeit und Erfahrung ein lobenswertes Kunstwerk hervorzaubern.

Ich persönlich habe an Bonsai mit kollektiven Stämmen das meiste Interesse. Deshalb habe ich es hier mit herzlichster Empfehlung geschildert. Ich bin davon überzeugt, dass ihm die Bonsai-Gemeinschaft zunehmende Aufmerksamkeit schenkt und die Techniken dafür weiter entwickelt werden.


Suggestions? info@manlungpenjing.org